SZ TRIFFT Hans Ottillinger, den erfolgreichen Sportkegler aus Schrobenhausen

Von Thomas Floerecke

Schrobenhausen – Die Kugel rollt. Es poltert und donnert für wenige Augenblicke. Dann der dumpfe Knall, das leise Klacken. Ein paar Kegel fliegen um, drei bleiben stehen. Der Vorführeffekt. „Verhunzt“, meint Hans Ottillinger. Gleich beim ersten Schritt auf der Auflage bis zum Wurf nach vorne hat er es bemerkt: „Das Timing hat nicht gepasst.“ Dann gleich die zweite Kugel in beide Hände genommen. Dieses Mal stimmt der Auftakt beim Schrobenhausener Sportkegler. Wieder wenige Schritte auf dem elastischen Sportboden, bis die Kugel mit Schwung die rechte Hand verlässt und auf der Bahn 19,50 Meter nach vorne rollt. „Viel besser die Abstimmung“, sagt er, „besser in die Gasse gekommen“.
Es sind die ersten Würfe nach den Dehnübungen zuvor bei dieser Trainingseinheit in der Mühlrieder Kegelbahnanlage. Die spiegelglatten Kunststoffplatten glänzen, als wären sie gestern erst frisch verlegt worden. Es geht erst mal auf die Vollen. Wichtig ist dem 62-Jährigen dabei, „die richtige Linie zu finden“, wie es in der Kegelsportsprache heißt. So versucht er, meistens den vordersten Kegel von rechts zu treffen. Manchmal auch von links. Dann steht der dritte Wurf an.
Die Kugel rollt, ein leises „Kann hinkommen“ von Hans Ottillinger, während er gespannt hinterher schaut. Und es kommt auch hin. „Jetzt hamas.“ Neun Holz, volles Bild, das Ziel beim Kegeln. Nächster Wurf, wieder konzentrieren. Der Auftakt, ein bisschen mit dem rechten Wurfarm mit der Kugel in der Hand hin- und herwippen. Fast wie beim Tennisspieler, der vor dem Aufschlag mehrere Male die gelbe Filzkugel auftippen lässt. Dieses Mal bleibt ein Kegel stehen.

Erst auf die Vollen, dann Abräumen

Mit Mitte Zwanzig hat Ottillinger das Kegeln im Verein erstmals ausprobiert. 1985 war das. Seitdem betreibt er es beim Mühlrieder Sportverein, richtet seine Urlaube danach. Denn von September bis März steht unter der Woche das Training, an 18 Wochenenden die Mannschaftswettbewerbe an. In die erste Mannschaft spielte er sich erstmals 1990. Bis heute ist er dabei. Sein Ziel ist es, mindestens bis 2025 in dieser Mannschaft zu kegeln, dann wären es 35 Jahre. Jahre, mit immer angenehmen Mitspielern, sagt er.
Bei den Wettkämpfen stehen dabei jedem einzelnen 120 Würfe zur Verfügung. Die erste Hälfte dieser Schübe geht immer auf die Vollen, dann geht’s ans Abräumen. Und theoretisch sind das 1080 Kegel, wenn bei jedem Wurf alle Neune fallen. Die Weltspitze erreicht gut 700, der Rekord liegt derzeit bei 755. Hans Ottillinger kommt schon mal auf etwas über 600.

16-facher Vereinsmeister, davon sechsmal in Folge

Bislang hat sich Hans Ottillinger sage und schreibe 16 Vereinsmeistertitel, davon sechsmal in Folge, erkegelt. Zusätzlich siebenmal den alljährlichen Vereinspokal im K.o.-System. In 20 Saisons war der Elektromeister und Oldtimerfan Schnittbester im Verein. Die richtig erfolgreichen Zeiten waren mit der Mühlrieder Mannschaft von 2008 bis 2011 in der bayerischen Landesliga, beim Sportkegeln oberhalb der Regionalliga und drei Ligen unter der Bundesliga angesiedelt. Seine Mitspieler waren unter anderem die drei damals noch jugendlichen, heute in der Bundesliga kegelnden Dietmar Brosi, Stephan Drexler und Tobias Kramer aus dem Donaumoos. Auf diesem Niveau, weiß Ottillinger, gibt es strenge Regeln für die Spieler, die der Schiedsrichter überwacht: kein Übertreten, kein Reden während des Wettkampfs, erst recht keine Unsportlichkeiten. Dennoch: Den einen oder anderen taktischen Trick, um den Gegner aus dem Tritt zu bringen, könne man schon anwenden: „Wenn du zum Beispiel genau in dem Moment deine Kugel aus dem Kugelrücklauf herausnimmst, wenn der Gegner in der Konzentrationsphase ist oder zum Wurf ansetzt.“

Sein Rekord liegt bei 1024 Kegeln

Im dahinter liegenden Zuschauerbereich deutet Hans Ottillinger auf die an der Wand hängenden Urkunden und Auszeichnungen. Eine davon aus dem Jahr 2001, und darauf ist er dann doch ein kleines bisschen stolz, zeigt seinen ersten eigenen Tausender. Für Sportkegler das Ziel schlechthin, das es zu erreichen gilt. Genau 1015 Kegel zuhause gegen Fürstenfeldbruck waren es damals noch mit dem bis 2014 gängigen 200-Schub-Modus. Damit war Ottillinger der erste beim SC Mühlried mit seiner traditionsreichen Kegelabteilung. Bahnrekord. Und das Highlight für ihn. Sieben Jahre später übertraf er das mit 1024 Holz.
Mit Verletzungen hat der Schrobenhausener in den vielen Jahren nie wirklich zu kämpfen gehabt: ab und zu das Knie verdreht oder die Achillessehne zu stark beansprucht, aber nichts Langwieriges. Und es macht ihm immer noch Spaß, bei der ersten Herrenmannschaft mitzumachen, auch drei Ligen weiter unten als noch in seiner Hochphase. Dass Sportkegeln eine Randsportart ist und teils wenig Wertschätzung erfährt, das habe Hans Ottillinger noch nie gestört, sagt er. Es gehe bei den wiederkehrenden Bewegungsabläufen immerhin um Ernsthaftigkeit, Ausdauer, Präzision, Konzentration, Technik, Taktik, den Wunsch nach Perfektion. Und genau das zeigt auch diese Trainingseinheit mit ihm.
Zwischendrin geht’s zurück an die Bahn. Noch 20 Würfe auf die Vollen. Mal ein skeptischer Blick, mal ein Kopfnicken, mal ein zufriedenes Lächeln. Unterdessen wird der Schweiß mit dem Handtuch aus dem Gesicht gewischt. Hans Ottillinger steuert die Kugel zwischen Daumen und kleinem Finger. So beeinflusst er Richtung und Drall. Die richtig guten Kegler, erzählt er, würden eine relativ gerade Kugel mit etwas Rotation schieben, um die Gasse zu treffen. So hätten sie maximale Kontrolle und Trefferzahl. Das versucht der Schrobenhausener auch. Manchmal, sagt er, ginge es gut. Treffe man genau in die Mitte, sei es kaum möglich, alle neun Kegel auf einmal abzuräumen. Auf was er sonst noch achtet: das gleiche Tempo von Wurf zu Wurf bei rund 35 Kilometer pro Stunde. Eigene, ganz individuelle Kugeln hat Hans Ottillinger übrigens nie im Gepäck. Das will und braucht er auch nicht. Noch ein paar abschließende Würfe, dann ist die Trainingseinheit für heute beendet. SZ